Ein Verkehrsteilnehmer, der die Vorfahrt zu beachten hat, muss damit rechnen, dass der Berechtigte schneller fährt als erlaubt.
WKR-Erklärung: Einem vorfahrtberechtigten Verkehrsteilnehmer kann trotz deutlich überhöhter Ausgangsgeschwindigkeit nicht immer die überwiegende Verantwortlichkeit für die Entstehung eines Unfalls angelastet werden urteilte das Oberlandesgericht Düsseldorf. (OLG Düsseldorf – I-1 U 130/14) Dabei wird von der allgemeinen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass eine Geschwindigkeitsüberschreitung um 60 Prozent immer einkalkuliert werden muss und somit niemals zu einer Entlastung des Wartepflichtigen führen kann.
Der Bundesgerichtshof legte fest: Der Wartepflichtige darf auf die Einhaltung einer angemessenen oder üblicherweise noch tolerierten Geschwindigkeit des bevorrechtigten Kraftfahrers nur solange vertrauen, als er bei sorgfältiger Beobachtung der Fahrbahn nicht erkannte oder erkennen musste, dass dieser sich mit einer höheren Geschwindigkeit nähert. Schätzungsfehler über die Geschwindigkeit des Bevorrechtigten gehen zu Lasten des Wartepflichtigen. (BGH – VI ZR 229/82)
Selbst wenn zu schnelles Fahren feststeht oder bewiesen wurde, kommt es im Rahmen der Haftungsabwägung noch zusätzlich darauf an, ob sich die überhöhte Geschwindigkeit ursächlich auf den Unfall selbst beziehungsweise auf das Ausmaß der Unfallfolgen ausgewirkt hat. Es ist in diesem Zusammenhang grundsätzlich zu klären, ob sich der Unfall bei Einhaltung der jeweils zulässigen Geschwindigkeit nicht genauso zugetragen hätte.
Fährt der Vorfahrtberechtigte allerdings mit so hoher Geschwindigkeit auf den späteren Unfallort zu, dass nicht festgestellt werden kann, ob der Wartepflichtige ihn rechtzeitig sehen konnte, so liegt keine Vorfahrtverletzung vor und die Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Wartepflichtigen tritt vollkommen wegen groben Verschuldens des Vorfahrtberechtigten zurück. (LG Coburg-21 O 655/08)