Der Prüfungsmaßstab für häufige (Kurz-)Erkrankungen ist auch anzulegen, wenn sich unter den medizinischen Ausfallursachen einzelne Krankheiten befinden, die zu längeren Ausfallzeiten führen.
WKR-Erklärung
Soll eine Kündigung wegen häufiger Erkrankungen sozial gerechtfertigt sein, ist unter anderem zunächst eine negative Gesundheitsprognose erforderlich. Zum Kündigungszeitpunkt müssen objektive Tatsachen vorliegen, die weitere Erkrankungen im bisherigen Umfang vermuten lassen.
Die Mitarbeiterin eines industriellen Produktionsbetriebes war häufig erkrankt. So durchgehend von Mitte August 2011 bis Februar 2012, wegen eines verklemmten Nervs im Ellenbogen. Auch in den folgenden Jahren fiel sie sehr oft krankheitsbedingt aus (2013 = 29 Tage / 2014 = 59 Tage / 2015 = 37 Tage). Deshalb kündigte der Arbeitgeber.
Die Frau klagte beim Arbeitsgericht Schwerin und hatte Erfolg. Zwar ging der Arbeitgeber in Berufung, allerdings bestätigten die Richter des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern ihre Kollegen aus der ersten Instanz. In deren Kernbegründung heißt es: Es gibt keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass zukünftig mit Ausfallzeiten der Arbeitnehmerin im ähnlichen Umfang wie 2011 bis 2015 zu rechnen ist.
Konkret: Beim Blick in die Zukunft müssen die Krankheitsbilder, die die Ausfallzeiten verursacht haben, mit einbezogen werden. Beispielsweise heilen Verletzungen des Skeletts oder des Gewebes, die man sich bei einem Unfall zuzieht, im Regelfall aus. Ausfallzeiten, die auf solche Ursachen zurückzuführen sind, fallen daher als Prognosegrundlage für zukünftige Fehlzeiten weg. Deshalb können im vorliegenden Fall, mindesten 187 Tage wegen des eingeklemmten Nervs im Ellenbogen und 71 Kalendertage, die durch einen Sturz bedingt waren, als Prognosebasis nicht berücksichtigt werden.
Auch in mehreren Ausfalltagen aus 2015, verursacht durch einen posttraumatischen Beschwerdekomplex, den die Frau durch die Trennung von ihrem Ehemann erlitt, konnten die Richter keine Anhaltspunkte für eine negative Prognose erkennen. Dazu lautet es im Urteil: Angesichts des Verlaufs von Lebenskrisen mit Verlust des Lebensmutes könne man ohne hinzutretende Umstände nicht davon ausgehen, dass diese Krise zukünftig zu Ausfallzeiten führen werde, die es erforderlich machten, das Arbeitsverhältnis durch Kündigung aufzulösen. Auf die mutmaßliche Dauer der Ausfallzeiten aufgrund der Lebenskrise komme es nicht an. Erst wenn festgestellt werden müsse, dass die Arbeitnehmerin nicht mehr in der Lage sei, einen Ausweg aus der Lebenskrise zu finden, könnte man eine darauf aufbauende Kündigung ins Auge fassen.
Nach Ausschluss der bezeichneten Ausfallzeiten für eine Zukunftsprognose, so die Richter, seien die noch heranziehbaren Ausfallzeiten so gering, dass eine zur Kündigung ausreichende negative Prognose nicht mehr möglich sei. (LAG Mecklenburg-Vorpommern / 2 Sa 158/16 / Abruf-Nr. 193523)